Artenvielfalt, oder Biodiversität, bezeichnet die Anzahl und Diversität biologischer Organismen innerhalb eines Ökosystems. Das kann ein Gartenteich sein, der tropische Regenwald oder die Schmetterlingswiese hinterm Haus. Auf den ersten Blick geht das ja nur die Tiere und Pflanzen selbst etwas an. Wenn man genauer hinsieht, merkt man jedoch schnell: Der Mensch hat auch hier ganz stark die Finger im Spiel. Denn aufgrund von Industrie und Abgasen, Landwirtschaft und Pestizideinsatz, Lichtverschmutzung oder Bodenversiegelung verlieren viele Tiere und Pflanzen ihre Lebensgrundlage. Das Ergebnis: Sie sterben – oder ziehen um.
Von 100 auf 0 in 10 Jahren
Ich bin am Land aufgewachsen. großer Garten, ein Fischteich, ein Schwimmteich. Überall Getier. Von Kammmolchen bis hin zu übergroßen schillernden Libellen wimmelte es nur so vor Leben. Ab und an kam eine Ringelnatter vorbei, pflügte durch den Schwimmteich, Köpfchen knapp überm Wasser und verschwand wieder. Ihre Nachkommen kamen unserem kindlichen Spieltrieb gerade recht. Neugierig fischten wir die regenwurmgroßen Schlangenbabys aus den seichten Bereichen und sahen zu, wie sie sich blitzschnell zwischen unseren Fingern zurück ins Wasser schlängelten. Diese Zeiten sind vorbei. Schlief man früher zu ohrenbetäubenden Frosch-Konzerten ein, hört man mittlerweile keinen Muckser mehr. Im Frühling gibt es keine Laichballen mehr von Fröschen an den Schilfstängeln und keine Kröten-Pärchen, die eng aneinandergeklammert gemeinsam auf Tauchgang gehen. Kann man da nicht was machen?
Selbst Hand anlegen
Ja, kann man. Zwar ist nicht immer klar, warum Tier- und Pflanzenarten verschwinden. Klar ist aber, dass ein bewusster Umgang mit einer möglichst großen biologischen Vielfalt die beste Möglichkeit ist, mitzuhelfen, heimische Arten zu erhalten. Dazu zählen z.B. das Aufschichten von Erd-, Holz- und Laubhaufen sowie der Verzicht auf Pestizide und Herbizide im Garten. Besonders schön sind außerdem Bienen- und Insektenhotels, die sich einfach an einem geschützten Ort aufhängen oder -stellen lassen und so den Brummern Unterschlupf bieten. Oder man lässt ganz einfach Blumenwiesen stehen, in denen Insekten Nahrung finden.
Für manche mag der englische Rasen von Wimbledon ein Vorbild sein – viel Leben wird sich darin jedoch nicht tummeln. Wer trotzdem gern einen gepflegten kurzen Rasen hat, kann ihn mit Obstbäumen und blühenden Sträuchern aufhübschen. Diese versorgen im Frühjahr die Insekten mit Nektar, kreieren ein Farbspektakel im Garten und im Herbst gibt’s Vitaminreiches zu ernten. Auch der Kräutergarten kann ein Paradies für Insekten sein. Blühender Oregano oder Thymian werden so zu Augenweide und Futterplatz in einem. Das Einfachste ist also oft, nichts zu tun, damit die Natur sich selbst regelt.
Arten kennen und benennen
Vom Gartenteich-Besitzer bis zum Grätzl-Gärtner– wir alle können einen Beitrag leisten. Manchmal beginnt das schon beim Nachlesen und Studieren der ansässigen Arten, um überhaupt erst mal einen Überblick darüber zu bekommen, was sich so in heimischen Gefilden tummeln kann und sollte. Klingende Namen wie jener der stark gefährdeten Breitstirnigen Plumpschrecke, der ebenso selten gewordenen Gelbbauchunke oder des violett blühenden Helm-Knabenkrauts werden so von sprachlichen Exoten zum gelebten Teil des Natur-Vokabulars. So können wir besser einschätzen, wie es um unsere unmittelbare Artenvielfalt bestellt ist, und aktiv mithelfen, diese zu messen und gegebenenfalls zu vergrößern.
Erst durchzählen, dann durchstarten
Wer das Einmaleins der heimischen Arten ein wenig beherrscht, kann auch die Forschung unterstützen. So werden immer wieder helfende Hände (und Augen) gesucht, wenn es darum geht, Artenzählungen durchzuführen. Egal, ob Gänse am Neusiedlersee oder Stabheuschrecken in Gigritzpatschn – Artenzählungen werden laufend durchgeführt, um zu ermitteln, wie viele Individuen einer Tier- oder Pflanzengattung es bei uns gibt. Diese Zahlen werden mit jenen der Vergangenheit verglichen. So bleibt die Forschung auf dem neuesten Stand und kann Maßnahmen ergreifen, um den Fortbestand zu sichern oder auszubauen.
Nature's little helper
Die Natur weiß, was gut für sie ist. Und sie hat starke Selbstheilungskräfte. Trotzdem ist sie den Eingriffen des Menschen nicht immer gewachsen. Helfen wir ihr also, ihre Artenvielfalt zu erhalten und wenn nötig diese auszubauen. Und Sie? Helfen Sie einfach mit: mit Blumenwiesen, Kräutergärten, Insektenhotels und ein paar Stunden Schmökern im heimischen Naturatlas. Gemeinsam erhalten wir unsere lebenswerte Umwelt und mit ihr die unzähligen faszinierenden Arten – zum Wohle aller.
UNSER BUCHTIPPS:
- Josef H. Reichholf, Klaus Wiegandt: Ende der Artenvielfalt? Gefährdung und Vernichtung von Biodiversität. 2008
- Volker Angres , Claus-Peter Hutter: Das Verstummen der Natur: Das unheimliche Verschwinden der Insekten, Vögel, Pflanzen – und wie wir es noch aufhalten können. 2018