Die Aktion „Helden gegen Einsamkeit“ ist eine dieser Möglichkeiten. Wie wir schon im ersten Artikel zur Corona-Krise angesprochen haben, leben wir in einer paradoxen Zeit: Viele von uns sind allein und dennoch entsteht ein noch nie da gewesenes Gemeinschaftsgefühl.
Das Prinzip ist simpel: Man meldet sich einfach hier mit Namen, E-Mail-Adresse und Telefonnummer an. Alle drei Tage wird dann „ausgelost“ und man erhält die Kontaktdaten seines aktuellen Helden des Vertrauens. Mit dem kann man sich dann austauschen, zum Quatschen am Telefon verabreden oder einfach nur ein paar aufmunternde Nachrichten hin- und herschicken. Simpel, wie gesagt. Also habe ich es einfach mal ausprobiert.
Das erste Mal
Ich muss zugeben: Vor dem ersten Anruf war ich ein bisschen nervös. Ich bin einer dieser Menschen, die Dinge lieber über vier Tage und 39 E-Mails klären, als einmal den Hörer in die Hand zu nehmen. Wenn ich Pizza bestellen will, suche ich krampfhaft nach Online-Formularen oder Apps, anstatt einfach anzurufen. Und mein Handy ist generell auf lautlos, damit ich nach etwaigen Anrufen schreiben kann: „Sorry, hab’s nicht gehört. Was gibt’s?“
Kurz gesagt: Telefonieren war noch nie so meins und Smalltalk mit fremden Menschen schon gar nicht. Aber wenn es einen optimalen Zeitpunkt dafür gibt, um über seinen Schatten zu springen, ist er jetzt. Und so habe ich eines schönen Sonntags einfach einmal tief durchgeatmet und die Nummer gewählt, die mir per E-Mail zugeschickt worden war.
Am anderen Ende meldete sich eine freundliche Frauenstimme mit oberösterreichischem Dialekt, die munter drauflosplauderte. Eine Radtour werde sie am Nachmittag machen. Und sowieso habe sie so ein Glück, die Natur in ihrer Umgebung genießen zu können. Recht hat sie. Ist auch wirklich schön dort. Ich erzähle ihr, dass ich vor ein paar Jahren zum Wandern in dieser Region war. Wir freuen uns beide, wünschen einander noch einen schönen Tag und legen wieder auf.
Serientäter
Dieses erste Gespräch ist jetzt schon fast drei Wochen her. Seitdem habe ich mit fünf weiteren Heldinnen und Helden telefoniert. Eine junge Mutter hat mir erzählt, dass sie mit ihren Kindern Steine bemalt und beim Spazierengehen auf den Weg legt, um anderen Leuten ein bisschen Farbe ins Quarantäne-Leben zu bringen. Ein Versicherungsvertreter im Homeoffice hat mir ganz begeistert die Vorteile des Von-zu-Hause-Arbeitens aufgelistet. Eine pensionierte Universitätsprofessorin hat ihre faszinierende Lebensgeschichte mit mir geteilt und sich mit regem Interesse die meine angehört.
Manchmal waren es 20 Minuten, manchmal 50, manchmal 90. Jedes Telefonat war unterschiedlich in Länge und Inhalt, aber eines hatten sie alle gemeinsam: Ich habe mich danach gut gefühlt. Es war jedes Mal sehr schön, mit jemandem zu sprechen, mit dem man unter „normalen“ Umständen nicht in Kontakt kommen würde. Ich durfte Einblick bekommen in das Leben und die Wahrnehmung anderer und ein bisschen von meiner Realität mit ihnen teilen.
Ausnahmezustand
Wir leben in einer spannenden Zeit. Keiner hat jemals so etwas erlebt. Niemand weiß so recht, wie er damit umgehen soll. Und trotzdem kriegt’s jeder irgendwie hin – auf seine eigene Art und Weise, in seiner einzigartigen Situation. Das finde ich zutiefst faszinierend. Und durch „Helden gegen Einsamkeit“ durfte und darf ich ein paar mehr dieser Bewältigungsstrategien und Lebenslagen kennenlernen.
Einmal durch ganz Österreich
„So kommt man durch ganz Österreich, auch wenn man nirgends hinkann“, hat eine besonders herzliche Heldin vor ein paar Tagen zu mir gesagt. Was für eine wunderbare Beschreibung dieser Aktion. Und wie recht sie damit hat! Ich bin schon von der Steiermark bis nach Vorarlberg gekommen, ohne mich je von meiner Couch zu erhoben zu haben.
Die Heldinnen und Helden geben mir nicht nur Einblick in ihr Leben, sondern versorgen mich auch mit Inspiration für Reiseziele. Unter „normalen“ Umständen würde ich um diese Zeit vermutlich beginnen, nach Flügen für den Sommerurlaub zu suchen. So denke ich mir: „Vielleicht fahr’ ich heuer einfach mal an den Bodensee!“ Das Salzkammergut soll auch ganz schön sein, habe ich gehört. Vielleicht wird es ja dieses Jahr wirklich was mit dem Urlaub in Österreich. Wir werden sehen, von welchen schönen Fleckchen mir der nächste Held erzählen wird. Ich freue mich schon darauf.