Übersetzt aus dem Japanischen bedeutet „Shinrin yoku“ so viel wie „ein Bad in der Atmosphäre des Waldes nehmen“. Mit Wasser hat das Waldbaden also eigentlich gar nichts zu tun. Die meisten von uns haben wahrscheinlich schon einmal die erholsame Wirkung eines Spaziergangs in der Natur erlebt. Nach einem stressigen Arbeitstag zum Beispiel tut es gut, tief durchzuatmen und die Gedanken des Alltags abzuschütteln. Wo könnte das aber besser und intensiver gelingen als tief im Wald, weit weg von Straßenlärm, Stimmengewirr und E-Mail-Posteingang? Hört sich ganz schön verlockend an, oder? Jetzt, wo die Natur nach dem Winter wieder zum Leben erwacht, ist der perfekte Zeitpunkt gekommen, um das Waldbaden auszuprobieren. Wir verraten, warum Sie unbedingt hin und wieder tief in die Waldluft eintauchen sollten.
Waldbad vs. Wanderung
Selbstverständlich hat schon ein einfacher Spaziergang an der frischen Luft eine positive Wirkung auf unser Wohlbefinden. Und bei einer ausgedehnten Wanderung, bei der wir uns so richtig auspowern, gelingt es oft, den Kopf wieder freizubekommen. Fast so, als würden wir unseren Ballast abwerfen, wenn wir uns den Wanderrucksack umschnallen. Aber für eine ausgedehnte Wanderung bleibt in der Hektik des Alltags oft nicht genügend Zeit. Und seien Sie ehrlich: Gehören Sie auch zu denjenigen, die beim Spazierengehen immer mal wieder auf das Smartphone schielen? Beim intensiven Waldbaden ist das tabu. Die Lieblingsmusik, die uns sonst mittels Kopfhörern so oft begleitet, tauschen wir beim Waldbad gegen die Geräusche der Natur ein. Und den sportlichen Ehrgeiz lassen wir auch gleich zu Hause. Denn beim japanischen „Shinrin yoku“ geht es mehr um Achtsamkeit als um Fitness. Sie sehen also: Auch Sportmuffel haben keine Ausrede mehr.
Die Wirkung des Waldes in der Wissenschaft
Warum der Aufenthalt im Wald eine derart erholsame und wohltuende Wirkung auf uns hat, dafür gibt es eine ganze Reihe wissenschaftlicher Erklärungen. Für die stimmungsaufhellende und stressreduzierende Wirkung, die Bäume auf uns haben, sind sogenannte Phytonzide verantwortlich. Diese chemischen Stoffe, die von Pflanzen abgesondert werden, wirken wie natürliche Antibiotika. Sie können bei Atemwegsproblemen und bei der Prävention vieler anderer Krankheiten helfen. Die ätherischen Düfte im Wald wirken wie eine Aromatherapie und die Farbe Grün hat zusätzlich eine beruhigende Wirkung. So wird der Parasympathikus, unser sogenannter „Ruhenerv“, aktiviert.
Bereits 20 Minuten im Wald reduzieren den Anteil des Stresslevels Cortisol erheblich. Der Blutdruck sinkt und es kommt zu einer vermehrten Aktivierung der „Killerzellen“, jener weißen Blutkörperchen, die besonders wichtig für unsere Immunabwehr sind. Außerdem herrscht im Wald ein besonderes Klima. Dafür sorgen schützende Blätter und die Verdunstung von Wasser mittels der Bäume. Im Sommer ist der Wald somit mit einer natürlichen Klimaanlage ausgestattet. Bereits in den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts wurden die positiven Effekte der Natur bei einer Studie in einem Krankenhaus im amerikanischen Pennsylvania nachgewiesen. Patienten, die lediglich einen Ausblick auf Bäume hatten, benötigten weniger Schmerzmittel und konnten früher entlassen werden. Das sind doch ganz schön gute Gründe, regelmäßig im Wald abzutauchen, oder?
Eintauchen mit allen Sinnen
Und wie funktioniert es nun, dieses Waldbad? Im Grunde genommen gibt es keine festen Regeln. Auch in Japan nicht, wo „Shinrin yoku“ eine lange Tradition hat und sogar von Ärzten verschrieben wird. Es geht einfach darum, ganz bewusst in der Natur zu verweilen und die Eindrücke des Waldes mit allen Sinnen wahrzunehmen. Sie müssen keine Route festlegen, auf der Sie sich durch den Wald bewegen wollen. Und es gilt auch kein Ziel zu erreichen. Alles, was Sie mitbringen müssen, sind Zeit und die Bereitschaft, sich auf die Umgebung einzulassen. Man könnte das Waldbaden auch als ein Achtsamkeitstraining in der Natur bezeichnen. Konzentrieren Sie sich zum Beispiel auf die Geräusche, die Sie im Wald umgeben. Von Blätterrauschen über Insektensummen bis hin zu Vogelgezwitscher und dem Knacken von Zweigen – es gibt so viel zu entdecken, dass Alltagsgedanken gar keinen Platz mehr im Kopf haben.
Lassen Sie die verschiedenen Grüntöne auf sich wirken, den Lichteinfall zwischen den Bäumen. Machen Sie eine Pause, wann immer Ihnen danach ist. Atmen Sie tief durch, nehmen Sie das besondere Klima des Waldes und seine verschiedenen Gerüche bewusst wahr. Berühren Sie die Rinde verschiedener Baumstämme. Erlaubt ist, was immer sich für Sie gut und natürlich anfühlt. Natürlich können Sie Ihr Waldbad auch mit Meditation oder sanften Yogaübungen verbinden. Egal, wie Sie Ihren Aufenthalt im Wald gestalten – Sie werden entspannt und mit neuer Energie wieder aus dem Grünen auftauchen, versprochen.