Fehler machen schön

Kennen Sie Kintsugi? Wir stellen die japanische Reparaturtechnik vor und verraten, was wir von zerbrochenem Geschirr für unser Leben lernen können.

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Haben Sie sich schon einmal über einen gesprungenen Teller geärgert? Ist Ihre Lieblingstasse schon einmal zu Bruch gegangen? Haben Sie schon einmal an sich selbst gezweifelt, weil Sie gerne perfekt wären? Die meisten von uns werden eine oder gleich mehrere dieser Fragen mit Ja beantworten. Sie auch? Dann wird es Zeit, dass Sie Kintsugi für sich entdecken. Hinter dem japanischen Begriff versteckt sich eine Handwerkstechnik, die nicht nur dazu dient, zerbrochenes Geschirr zu reparieren, sondern uns auch dabei helfen kann, gelassener im Umgang mit Problemen zu werden. Um zu verstehen, wie das gelingen kann, machen wir zunächst einen kleinen Ausflug in die japanische Geschichte.

Wie alles begann

Übersetzt bedeutet Kintsugi Goldverbindung oder Goldflicken. Seltener trifft man auch auf den Begriff Kintsukuroi, der sich mit Goldreparatur übersetzen lässt. Gemeint ist damit ursprünglich eine traditionelle Reparaturmethode für Keramik. Der Legende nach entstand sie bereits im 15. Jahrhundert, als ein japanischer Adliger seine zerbrochene Teeschale zur Reparatur nach China schickte. Vom Ergebnis war er jedoch angeblich schwer enttäuscht. Daraufhin bat er japanische Kunsthandwerker, eine bessere Methode zu entwickeln, um die Schale wieder ganz zu machen. Das Ergebnis: Kintsugi. Das Besondere daran: Beim Kintsugi geht es nicht darum, den Eindruck zu erwecken, es wäre nichts geschehen. Und wer, wie ich, schon einmal versucht hat, eine Tasse mit Superkleber zu retten, weiß, dass das sowieso kaum möglich ist. Ganz im Gegenteil werden die Bruchstellen durch goldene oder silberne Pigmente sogar noch hervorgehoben. 

Wer sich jetzt an die japanische Philosophie des Wabi-Sabi erinnert fühlt, liegt nicht falsch. Auch bei Kintsugi geht es letztendlich darum, die Schönheit der Unvollkommenheit zu entdecken – nicht nur, wenn es um vermeintlich kaputte Gegenstände geht, sondern auch an und in uns selbst.

Alle Tassen im Schrank

Bevor es jetzt aber allzu philosophisch wird, wenden wir uns zunächst wieder der praktischen Seite des Kintsugi zu. Aufmerksam geworden bin ich darauf nämlich tatsächlich beim Versuch, eine Tasse wieder zusammenzukleben. Über die Jahre haben sich viele verschiedene Kaffee- und Teebecher als Souvenirs aus unterschiedlichsten Urlaubsdestinationen in meiner Küche angesammelt. Böse Zungen behaupten, dass es bei dieser Menge gar nichts ausmache, wenn ein Stück zu Bruch gehe – es gebe ja genug Ersatz. Aber ich hänge an jeder einzelnen Tasse, weil ich damit auch viele Erinnerungen an Reisen und besondere Momente verbinde. Scherben im Küchenschrank kamen für mich also schnell einer kleinen Katastrophe gleich, bis ich bei meiner Recherche für die richtige Reparatur auf Kintsugi gestoßen bin. Japanisches Kunsthandwerk klingt erst einmal ziemlich herausfordernd, aber ich bin über meinen Schatten gesprungen und habe mich einfach daran versucht. Sind die Scherben schon da, gibt es schließlich nicht mehr viel zu verlieren. Und siehe da: Heute gehört die Tasse zu meinen absoluten Lieblingsstücken.

Bereit für DIY?

Vielleicht können Sie meine anfängliche Traurigkeit über kaputte Keramik nachfühlen. Vielleicht möchten Sie aber auch einfach nur darauf vorbereitet sein, wenn der tollpatschige Mitbewohner das nächste Mal zuschlägt. Oder Sie lieben Upcycling und machen im Sinne der Nachhaltigkeit gerne Neues aus Dingen, die sonst im Müll landen würden. So oder so gelingt Ihnen mit dieser einfachen Anleitung bestimmt das eine oder andere Unikat.

Das brauchen Sie

Für Ihr eigenes Kintsugi-Projekt brauchen Sie natürlich zunächst ein zerbrochenes Geschirrstück aus Keramik oder Porzellan, bei dem alle Scherben vollständig vorhanden sind. Ob es sich dabei um eine Tasse, eine Vase, eine Schüssel oder einen Teller handelt, ist egal. Außerdem benötigen Sie lebensmittelechten Porzellan- oder Keramikkleber, Schlagmetallflocken in Gold, Silber oder Messing und Reinigungsalkohol.

So funktioniert’s

Reinigen Sie zunächst alle Scherben gründlich. Sie müssen sauber, staubfrei und trocken sein, damit der Kleber anschließend auch wirklich sicher hält. Anschließend geben Sie den Kleber auf die Bruchkanten und verteilen darauf gleichmäßig die gewählten Metallflocken. Je nach Kleber können Sie die Scherbe dann schon wieder an der richtigen Stelle einsetzen oder müssen den Klebstoff noch kurz atmen lassen. Folgen Sie dafür am besten den Verarbeitungshinweisen auf der Verpackung. Wenn Sie einen Zweikomponentenkleber verwenden, müssen Sie eventuell noch eine zweite Schicht direkt auf dem Geschirrstück, an dem Sie die Scherbe anbringen möchten, auftragen. Wiederholen Sie diesen Vorgang so lange, bis alle Teile wieder zusammengesetzt sind. Lassen Sie den reparierten Gegenstand im Anschluss gut trocknen, bis der Kleber vollständig ausgehärtet ist. Danach geht es an den Feinschliff. Überschüssige Klebstoffreste und Metallflocken lassen sich mit Reinigungsalkohol und einem weichen Tuch entfernen. Mit der rauen Seite eines Spülschwamms können Sie die reparierten Stellen vorsichtig glätten. Zum Abschluss spülen Sie das Geschirrstück mit warmem Wasser ab und fertig ist Ihr kleines Kunstwerk. Achtung: Für die Mikrowelle oder Spülmaschine ist Ihr Unikat nach japanischer Art jetzt nicht mehr geeignet!

Die Moral von der Geschicht’

Freilich handelt es sich bei unserer Anleitung nur um eine vereinfachte Version, die sich mit echter traditioneller Handwerkskunst nicht messen kann. Das eine oder andere Lieblingsteil lässt sich so aber dennoch vor der Mülltonne retten. Und die neue, aber faszinierende Optik, die vermeintliche Fehler nicht versteckt, sondern betont, lehrt uns obendrein noch einiges fürs Leben. Meine reparierte Lieblingstasse ist für mich jetzt nicht weniger wertvoll, weil sie die Spuren des Alters beziehungsweise eines Unglücks trägt. Vielmehr ist sie zu einem Symbol dafür geworden, wie aus etwas Unperfektem eine ganz neue Art der Schönheit entstehen kann. Wie wäre es, wenn wir unsere Falten, Narben und Brüche im Lebenslauf genauso betrachten würden, statt sie zu verteufeln und uns zu bemühen, sie zu verstecken? Schließlich sind sie es, die uns zu etwas Besonderem machen und uns aus der Masse herausstechen lassen wie meine vergoldete Tasse aus dem Geschirrschrank. Diese Sichtweise kann uns nicht nur dabei helfen, zu mehr Selbstakzeptanz und Selbstliebe zu finden – Stichwort Body Positivity –, sondern zeigt vielleicht auch neue Perspektiven in stressigen Situationen oder schwierigen Lebensphasen auf. Kintsugi bestätigt uns: Fehler machen schön. 

Sind Ihre kreativen Geister jetzt geweckt? Dann finden Sie hier weitere Möglichkeiten, wie Sie Ihrer nächsten Bastelstunde japanisches Flair einhauchen können. 

UNSERE BUCHTIPPS:

Allen, die noch mehr über Kintsugi erfahren möchten, legen wir unsere Buchtipps ans Herz – vom Roman bis zum Ratgeber: 

  • Céline Santini: Kintsugi. Wie uns Bruchstellen im Leben stark machen. Der japanische Weg zur Resilienz. 2019
  • Miku Sophie Kühmel: Kintsugi. 2019
  • Alexandra Kitty: The Art of Kintsugi. Learning the Japanese Craft of Beautiful Repair. 2020

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