Resilienz ist das Immunsystem der Psyche, die Widerstandkraft des Geistes. In der Materialkunde ist jener Stoff resilient, der sich unter Druck verformt und danach wieder in seine Ursprungsform zurückfindet. Ganz so ist es beim Menschen nicht. Wenn wir Druck oder starkem Stress ausgesetzt waren, schnalzen wir nicht einfach in unsere Ursprungsform zurück wie ein Gummiringerl. Wir verändern uns dabei. Resilienz beim Menschen gibt daher an, wie gut wir mit Stress umgehen können, ohne daran zu zerbrechen. Und, ja – Teile davon können wir erlernen!
Woher kommt Resilienz?
Wie immer gibt es auf diese präzise Frage keine hundertprozentig richtige Antwort. Denn Fakt ist – resiliente Eltern können Kinder haben, die an Angstzuständen leiden oder schnell Stress zeigen. Ich habe weder die Besonnenheit meines Vaters noch die Ruhe meiner Mutter. Das nervt mich, denn ich muss mir die psychische Widerstandskraft, die meine Eltern an den Tag legen, viel härter erarbeiten. Was aber definitiv eine tragende Rolle spielt, ist das Alter. Im Alter entwickeln wir eine Art Vogelperspektive und können Erlebnisse besser einordnen. Einschätzungen wie Gut und Böse werden relativ. Erinnern Sie sich noch an Ihre Matura? Und wie groß und bedrohlich die damals gewirkt hat? In der Zwischenzeit haben Sie Erfahrungen gesammelt und einen weiteren Horizont bekommen. Sie wissen also, dass es im Großen und Ganzen nicht so tragisch war. Das geht nur, weil wir im Alter mehr Referenzpunkte sammeln, an denen wir uns orientieren, um Situationen abwägen und einschätzen zu können.
Von Säbelzahntigern und Anzugträgern
Betrachten wir Stress aus der historischen Perspektive, dann sprechen wir vom allseits bekannten Säbelzahntiger, der drauf und dran war, Konfetti aus uns zu machen. Das ist naturgemäß eher unangenehm und stresst uns. Unsere körperliche Reaktion: erhöhter Puls und Blutdruck und das Einschießen von Stresshormonen, um uns bereit zu machen für „fight or flight“. Wir brauchen diesen hormonellen Schub, um sofort reaktionsfähig zu sein und im Fall des Falles mit wehendem Lendenschurz um unser Leben zu laufen. Sind wir dem Säbelzahntiger entkommen, fahren unsere Stresshormone herunter, der Körper findet zur Ruhe und mit ihm auch der Geist. Geschafft! Das Problem: Der heutige Säbelzahntiger trägt Anzug und macht uns aus dem Chefbüro regelmäßig die Hölle heiß, ohne dass wir unseren „fight or flight“-Modus jemals richtig einsetzen können. Wir können nicht fliehen. Ich rate auch nicht zum Kampf. Das bedeutet aber, dass Stresshormone auf sehr lange Zeit in uns herumschwimmen, ohne dass wir je runterkommen und uns beruhigen können. Die Lösung? Trommelwirbel … Sport!
Ventil Sport
Sport und Bewegung helfen uns, Stresshormone abzubauen. War früher immer vom Laufen als Allheilmittel die Rede, finde ich persönlich auch sehr viel Ausgleich im allgemeinen Kraftsport und im Crossfit. Der Trick liegt darin, für sich selbst das richtige Ventil zu finden. Denn genau das ist es bildlich gesprochen. Stellen sie sich einen Tank vor, der voll ist mit Stress, Stresshormonen, unangenehmen Gedanken, Druck. Wenn es zu viel wird, geht er über. Sie brauchen ein Ventil, um immer wieder etwas aus dem Tank abzulassen, damit Sie sich besser fühlen und dem Trubel auch standhalten. Stress hat jedoch immer eine körperliche und psychische Komponente. Auch die Psyche lässt sich stärken.
Achtsamkeit, Perspektive und Tagebuch
Auch vorbeugend können wir viel unternehmen, um an unserer Resilienz zu arbeiten. Meditation und Achtsamkeitsübungen bauen Stress ab und helfen uns mit ein wenig Übung dabei, Situationen eher zu akzeptieren und uns in ihnen zurechtzufinden. Oft reicht ein Perspektivenwechsel und ein Hindernis wird zum Sprungbrett. Die gezielte Arbeit an der eigenen Selbstwirksamkeit trägt ungemein zu mehr Wohlbefinden und psychischer Ruhe bei, wenn es uns einmal schlecht geht. Auch das Führen eines Tagebuchs ist ein wirksamer Weg, ein wenig mehr positive Perspektiven ins Leben zu bringen. Vergessen Sie altmodische „Liebes Tagebuch“-Vorstellungen. Ein paar Sätze vor dem Schlafengehen und das bewusste Reflektieren darüber, was Ihnen an diesem Tag gelungen ist und was Sie zu Ihrem eigenen Wohlbefinden beitragen konnten – das macht einen großen Unterschied in der Wahrnehmung aus.
Was Resilienz nicht ist
Resilienz ist kein Dauerzustand. Ja, wir können mit der Zeit resilienter werden und dadurch Stress besser aushalten oder verarbeiten lernen. Aber Resilienz ist nie in Stein gemeißelt. Hier ist die Bezeichnung „Immunsystem der Psyche“ trügerisch. Nur weil wir etwas wie Zurückweisung schon einmal durchgemacht haben, sind wir noch lange nicht immun dagegen. Das ist deshalb wichtig zu betonen, weil es Enttäuschungen und Unverständnis vorbeugt. Ich persönlich mache mich gerne dafür fertig, dass ich nicht zu jeder Zeit alles aushalte, obwohl ich doch, bitte schön, schon mal weiter war! Es zeigt sich – Resilienz ist nicht wie Fahrrad fahren: Einmal gelernt, nie mehr vergessen. Sie ist vielmehr ein Prozess und eher mit Laufperformance zu vergleichen. Wir müssen viel üben, um gut zu werden. Und selbst wenn wir mal gut sind, weiß jeder Läufer: Die Tagesverfassung ist (leider) die halbe Miete. Sind wir müde, schlapp, haben wir nicht genug oder zu ungesund gegessen, haben wir Zoff mit dem Partner oder dem Nachbarn, werden wir Stress weniger gut wegstecken als an einem guten Tag. Hier gilt es, aufmerksam und umsichtig mit sich selbst zu sein, um sich nicht unnötig Druck zu machen.
Fazit
Resilienz ist die Fähigkeit, aufzustehen und weiterzumachen, wenn alle Zeichen dagegensprechen: wenn uns Schicksalsschläge ereilen, wir unter immensem Stress stehen oder einen Zusammenbruch erleiden. Manche Menschen werden mit mehr Resilienzfähigkeit geboren als andere. Wer lernen möchte, mit sich und seinem Leben auch in schwierigen Umständen gut umzugehen, muss vor allem sein Bewusstsein schulen und herausfinden: Was triggert mich? Was bereitet Stress? Wie äußert er sich? Und welches Ventil hilft bei mir besonders gut, um den Stress-Tank zu leeren? Basteln Sie sich eine Reihe an positiven Gewohnheiten und Ritualen, um an Ihrer geistigen und körperlichen Widerstandfähigkeit zu arbeiten, und Sie werden sehen – jeder Schritt hilft!