„Dieses Jahr höre ich mit dem Rauchen auf“, „Dieses Jahr fange ich mit Sport an“, „Dieses Jahr esse ich weniger Zucker“ – Wieso ist es eigentlich so schwer, das wirklich zu tun?
Die Krux mit den Vorsätzen
Gewohnheiten sind zuerst Spinnweben, dann Drahtseile. Bis zu 45 Prozent unseres Alltags sind von Gewohnheiten geprägt. Der erste Kaffee am Morgen, der automatische Griff zum Hausschlüssel, der Weg zur U-Bahn, das Zähneputzen vor dem Schlafengehen. Oft reicht schon ein kontextueller Reiz und wir verfallen in unsere Gewohnheiten (wir sehen die Kreuzung und biegen automatisch links ab, wir bestellen ein Bier im Gastgarten und greifen zur Zigarette). Unsere Gewohnheiten zu ändern, erfordert zuallererst eine bewusste Entscheidung.
Wie mach ich’s mir leichter?
Gewohnheiten sind derart stark, dass es oft Sinn macht, vorhandene Gewohnheiten mit einer erwünschten Verhaltensänderung zu koppeln. Wer gerne mehr trinken will, kann zum Beispiel morgens während des Zähneputzens den ersten Liter Tee aufstellen. Hier helfen anfangs kleine Erinnerungszettel wie ein Post-it auf der Zahnbürste. Oder man will mehr Obst essen – also zum ersten Kaffee in der Arbeit gleich einen Apfel aufschneiden und mit zum Arbeitsplatz nehmen. Ein kleiner Spickzettel am Computer kann hier helfen.
Hürden abbauen
Am leichtesten geht es, neue Gewohnheiten aufzubauen, indem man sich selbst alle Hürden so gut wie möglich aus dem Weg räumt. Nehme ich mir heute Abend vor, morgen Früh laufen zu gehen, richte ich mir am besten schon abends mein Laufgewand her: Sporttop über der Sessellehne, Laufschuhe vor der Tür.
Ich nehme mir seit einiger Zeit vor, wieder täglich Sit-ups zu machen, und zwar direkt nach dem Aufstehen. Dazu habe ich mir anfangs die Yogamatte ins Schlafzimmer gestellt. Als ich nach einer Woche immer noch keine Sit-ups gemacht hatte, habe ich sie einfach direkt neben das Bett gelegt. Ich falle also sprichwörtlich drüber, wenn ich morgens aus dem Bett kraxle.
Hürden aufbauen
Wer sich etwas abgewöhnen will, kann das Gegenteil machen. Will man gerne weniger Schokolade essen, räumt man sie am besten erst mal ins letzte Kastl, sodass man zumindest bewusst eine Hürde überwinden muss und dadurch auch bewusster das Stück Schokolade isst. Im Idealfall ist die Schoki so weit weg, dass man ein Hilfsmittel braucht, um sie zu erreichen. Je nerviger und aufwendiger, desto besser. So ist es zumindest kein Automatismus mehr.
Verbindlichkeiten schaffen
Ich mache seit über einem Jahr CrossFit. Ging ich anfangs nur zwei- oder maximal dreimal die Woche, gehe ich jetzt bis zu fünfmal. Denn ich bin durch die Freundschaft mit einer Trainingspartnerin eine Art Verbindlichkeit eingegangen. Jeden Tag zu Mittag kommt eine Message und wir machen uns eine Uhrzeit aus. Bestimmt jedes dritte Mal hätte ich gar keine Lust zu gehen. Aber da sich jemand auf mein Wort verlässt, halte ich es auch.
Klein anfangen
Große Vorhaben spornen anfangs an, sind aber schwer in die Tat umzusetzen. Von heute auf morgen auf Zucker oder Zigaretten zu verzichten, ist nicht einfach. Also lieber mal langsam beginnen, indem man zum Beispiel einen oder zwei zuckerfreie Tage pro Woche einlegt. Wenn zwei schon gut gehen, geht auch noch ein dritter und so weiter. Am besten konzentriert man sich auf eine Sache, die man ändern will. Und wenn das mal klappt, geht man zur nächsten über. Also zuerst mal den Zucker anpacken und danach erst das Rauchen. Wie das mit dem Zucker am besten geht, lesen Sie übrigens hier.
Auch wer mehr Bewegung machen möchte, muss sich anfangs nicht übernehmen. Sie wollen gerne pro Tag eine Stunde Bewegung? Nur zu, aber stückeln Sie es ruhig. Statt gleich täglich eine Stunde laufen zu gehen, gehen Sie einfach vor der Arbeit eine halbe Stunde zu Fuß und nach der Arbeit noch mal.
Erfolge sichtbar machen
Ein wesentlicher Punkt beim Umstellen oder Einführen von Gewohnheiten ist Sichtbarkeit. Oft machen wir den Fehler und konzentrieren uns auf Ergebnisse (komplett rauchfrei, 100 Kilo Deadliften, null Zucker in der Ernährung) statt auf Prozesse. Dabei sollte der Leitsatz lauten: „Richtung statt Resultate“ oder „Rituale statt Resultate“.
Ganz einfach formuliert: Für jeden rauchfreien, zuckerfreien oder sportlichen Tag setzen Sie ein großes grünes Kreuz in Ihren Kalender. Für jeden Tag, an dem es nicht gelingt, setzen Sie ein rotes Kreuz. Dann gilt es, den Lauf nicht abreißen zu lassen. Machen Sie Ihre Erfolge sichtbar, lässt sich wie auf einer Zeitleiste ablesen, ob Sie die richtige Richtung einschlagen. So fällt es auch leichter, sich selbst zu vergeben, wenn man mal einen Ausreißer hat. Das ist auch okay. Solange die Richtung stimmt, ist das kein Drama.
So tracke ich meine Sporttage mithilfe der App Strava. Am Ende des Monats zeigt sie mir anhand von Grafiken und Scores, wie viele Sport- und Bewegungseinheiten ich geleistet habe. Das macht mich jedes Mal mächtig stolz und ich danke mir im Nachhinein für die Energie, die ich für mich und meinen Körper aufgewendet habe.
Kreuzchen für’s innere Kind
Auch viele Lernapps (beispielsweise Habitbull, Ticktick und Coach.me) zielen mit der „Kreuzchen-Methode“ auf unser inneres Kind ab, das insgeheim das Spiel gewinnen will. So bekommt man für fünf Tage infolge Italienisch-Lernens einen virtuellen Pokal oder kleine Gutscheine, mit denen man Nischenprogramme erschließen kann.
Also: Das neue Jahr ist angebrochen. Entdecken Sie ruhig wieder Ihr inneres Kind. Das will nämlich jeden Tag gerne ein grünes Kreuzchen setzen. Und so eine Woche voll grüner Kreuzchen macht ziemlich stolz.
UNSER BUCHTIPP
- James Clear: Atomic Habits, 2018