Mythos Multitasking – Eins nach dem anderen statt alles zugleich

„Was sind Ihre Stärken und Schwächen?“ Man glaubt es kaum, aber diese Frage wurde mir vor ein paar Monaten tatsächlich in einem Vorstellungsgespräch gestellt. So aufgelegt, dass ich gar nicht damit gerechnet hatte. Nachdem ich nicht vorbereitet war, war ich einfach ehrlich. So habe ich nach ein paar Stärken eine meiner größten Schwächen entlarvt: „Ich bin absolut nicht multitaskingfähig.“ Aber ist das überhaupt irgendjemand? In diesem Artikel gehen wir dem Mythos auf die Spur.

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Multitasking – woher kommt’s?

Der Begriff „Multitasking“ kommt aus der Technik, wo er sich darauf bezieht, dass ein Betriebssystem mehrere („multi(ple)“) voneinander unabhängige Aufgaben („tasks“) gleichzeitig ausführt. Ein kurzes Beispiel: Mein Laptop spielt gerade Musik ab, während er mein Tippen in Buchstaben auf dem Bildschirm verwandelt. Im Hintergrund laufen wahrscheinlich noch unzählige weitere Prozesse, die ich weder wahrnehmen noch benennen kann. Multitasking vom Feinsten.

Auch die Idee dahinter ist nachvollziehbar: Multitasking soll die Auslastung optimieren und die Rechenleistung eines Computers möglichst gleichmäßig nutzen. Musik abspielen und ein Text-Dokument bearbeiten ist nicht genug Arbeit für ein so hochleistungsfähiges Gerät. Mein Laptop ist mit meinen direkten Anforderungen nicht ausgelastet. Er langweilt sich sozusagen und nutzt seine zusätzlichen Kapazitäten für alles, was sonst noch anfällt: Updates, automatische Sicherungen, Akku-Ladungen, Systemprozesse … Multitasking macht für technische Geräte jede Menge Sinn. Aber wie schaut das beim Menschen aus?

Multitasking – (un-)menschlich?

Die Absicht von menschlichen Multitaskern ist eigentlich dieselbe: Auslastung optimieren, Effizienz steigern, Leerzeiten nutzen. Man glaubt, dass man ähnlich wie ein hochleistungsfähiger Rechner zahlreiche Prozesse gleichzeitig ausführen kann. Fakt ist aber: Kann man nicht. Denn unser Gehirn ist kein Computer.

Die einzige Möglichkeit für uns Menschen, mehrere Dinge gleichzeitig zu erledigen, ist Automatisierung. Tätigkeiten, die wir so weit gemeistert haben, dass wir in der Lage sind, sie unbewusst auszuführen, können mit einer anspruchsvolleren Aufgabe kombiniert werden. Wenn wir beispielsweise beim Telefonieren durch die Wohnung oder den Park spazieren, passiert das Gehen nahezu automatisch und unsere Aufmerksamkeit liegt auf dem Telefonat. Wir können also mehrere Dinge gleichzeitig tun, können uns aber nicht auf mehr als eine Sache tatsächlich konzentrieren.

Aber wie ist das dann mit dem weit verbreiteten simultanen Telefonieren und Schreiben von E-Mails, Fernsehen und dem Scrollen durch Social Media, Musikhören und Lesen? All das erscheint wie Multitasking, ist aber tatsächlich nur ein schnelles Hin- und Herwechseln zwischen verschiedenen Tätigkeiten. Wir widmen uns nie wirklich gleichzeitig beiden Aufgaben, sondern lassen unsere Konzentration abwechselnd dem Telefonat und der E-Mail, der Fernsehserie und dem Instagram-Post, dem neuesten Hit und dem Buch in der Hand zukommen.

Menschliches Multitasking ist nichts als ein Mythos. Und wer sich von ihm täuschen lässt, zahlt einen Preis.

Multitasking – ein teurer Spaß

Eine Studie im International Journal of Information Management zeigt, dass ein durchschnittlicher Büroangestellter ca. alle fünf Minuten seine E-Mails checkt. Danach, so fand man heraus, dauert es im Durchschnitt 64 Sekunden, bis er seine vorherige Tätigkeit wieder aufnehmen kann. Diese Verzögerung sind die sogenannten „Switching costs“ – der mentale Preis, den man in Form von verlorener Zeit für das vermeintliche Multitasking bezahlt. Man verliert dadurch ca. jede sechste Minute. Das sind auf einen Achtstundenarbeitstag gerechnet ca. 80 Minuten – und das ganz ohne das läutende Telefon, Social Media und die tratsch-freudigen Kollegen, die einen zusätzlich immer wieder unterbrechen.

Multitasking – was sonst?

In einer Welt, in der es wichtiger scheint, beschäftigt als produktiv zu sein, in der Arbeitsleistung in Form von Zeit und nicht anhand von tatsächlichem Output gemessen wird und in der eines der beliebtesten Small-Talk-Themen das Klagen darüber ist, wie viel man doch ständig zu tun hat, geht man gerne den Weg des Multitaskings. Dass man dabei kostbare Zeit und Konzentrationsfähigkeit verschwendet, ist nicht so wichtig. Denn je länger man im Büro sitzt, umso wichtiger ist man und umso mehr hat man beim „After Work“ zu jammern. Was eigentlich auch egal ist, weil die Freunde sowieso nur mit einem Ohr zuhören – denn auch in der Freizeit ist Multitasking en vogue. Hat man es einmal erfolgreich verlernt, sich tatsächlich und vollständig auf eine Sache zu konzentrieren, ist der Weg „zurück“ ein holpriger.

Aber er zahlt sich dennoch aus: Denn „Singletasking“ spart nicht nur Zeit, sondern minimiert auch Stress, der durch das ständige Hin und Her in unserem Gehirn entsteht. Sich auf eine Sache zu konzentrieren, steigert die Effizienz und lässt so Raum für Ruhephasen, die sowohl unser Körper als auch unser Kopf brauchen, um optimal funktionieren zu können und kreativ zu sein. Außerdem verbessert sich die Qualität unserer Arbeit, wenn wir uns ungestört einer Tätigkeit widmen und unsere ungeteilte Aufmerksamkeit in eine Richtung lenken.

Multitasking ist also etwas, das wir lieber unseren Computern überlassen. Trotzdem können wir in Bezug auf unsere Arbeitsgewohnheiten auch von unseren Maschinen-Freunden etwas lernen, und zwar: Vollbild, Zwischenspeichern, Herunterfahren und Neustart. Soll heißen: ungeteilte Konzentration, die einen alles ausblenden lässt, das gerade nicht Priorität hat; regelmäßige, kurze Pausen zwischendurch; längere Ruhephasen, in denen man voll und ganz abschalten kann, um dann wieder erholt und erfrischt durchzustarten.

Das übe ich jetzt. Und im nächsten Bewerbungsgespräch zähle ich „Ich bin absolut nicht multitaskingfähig!“ als Stärke auf.

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