Missverständnis extrovertiert – Teil 2

Extrovertiert heißt nicht automatisch laut, immer gut gelaunt und „Everybody’s Darling“. Was es wirklich bedeutet, wo die Herausforderungen des Extrovertiert-Seins liegen und wie wir besser mit Gegensätzen umgehen können, lesen Sie in diesem Artikel.

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In Teil 1 dieser Artikelserie (Missverständnis introvertiert) habe ich mein Herz ausgeschüttet: das Leben und Leiden als Introvertierte in einer Gesellschaft, die von Extrovertierten dominiert wird. So oder so ähnlich habe ich das zumindest empfunden. Für diesen Teil 2 durfte ich mich in die gegenüberliegende Rolle versetzen und einige Gespräche führen, in denen ich ganz überraschend erfahren habe: Auch für Extrovertierte scheint nicht immer nur die Sonne. 

Aber bevor ich meine Erkenntnisse mit Ihnen teile, wiederholen wir zum allgemeinen Verständnis noch mal kurz, worum es überhaupt geht.

Extrovertiert vs. introvertiert – wie war das noch mal?

Wie wir im Artikel Missverständnis introvertiert gelernt haben: Es geht bei diesem Persönlichkeitsmerkmal vor allem darum, woher wir unsere Energie bekommen. Extrovertierte laden ihre Batterien unter Leuten auf – Introvertierte alleine oder mit einzelnen vertrauten Menschen. Für Extrovertierte ist Neues energetisierend – für Introvertierte eher ermüdend. Extrovertierte brauchen oftmals Impulse von außen, um in Schwung zu kommen – Introvertierte erholen sich in der Regel primär durch Ruhe.

Ein einfaches Beispiel: Was machen die einzelnen Typen am liebsten zur Entspannung nach einem anstrengenden Arbeitstag? Für Leute, die eher extrovertiert sind, ist ein geselliger Abend in einer Bar oder auf einer Party die Wunschvorstellung: Anregende Gespräche, neue Eindrücke, viele Menschen – ob bekannt oder fremd – sind eine wahre Kraftquelle für Extrovertierte. Ist man dagegen ein eher introvertierter Typ, braucht man nach einem vollen Tag in erster Linie Ruhe und möglichst wenig Input von außen: Ein gemütlicher Abend auf der Couch oder körperliche Betätigung, bei der man den Kopf abschalten kann, lässt Introvertierte neue Kraft schöpfen.

Grauzonen

Ganz wichtig in diesem Zusammenhang: Nichts ist nur schwarz oder weiß. Es gibt auch ganz viele individuelle Grauzonen und die Übergänge sind dabei meist fließend. Soll heißen: Auch wenn die meisten Menschen eine natürliche Tendenz haben (also entweder in ihren Grundzügen eher introvertiert oder eher extrovertiert sind), bleiben wir dennoch wandelbar und können je nach Situation und Tagesverfassung verschiedene Charakterzüge ausleben. Niemand ist zu 100 Prozent introvertiert oder extrovertiert und niemand ist es ständig. Wir wollen hier nicht in Schubladen denken, sondern Verständnis schaffen.

„Wie lebt es sich so als Extrovertierter?“

Diese Frage habe ich einigen extrovertierten Menschen in meinem Umfeld gestellt. Die Antworten waren so vielseitig wie die Befragten selbst – und dennoch gab es einige immer wiederkehrende Stichworte. Zum einen ist da natürlich die „aktuelle“ Situation: Lockdown und Isolation treffen Extrovertierte, die in sozialen Interaktionen aufblühen, besonders hart. Viel schneller entsteht für sie das Gefühl, dass ihnen „die Decke auf den Kopf fällt“, viel eher vermissen sie die Arbeitskollegen, die Veranstaltungen, das geschäftige Treiben in der Stadt. 

Abgesehen davon gibt es natürlich auch allgemeine zeitunabhängige Herausforderungen für Extrovertierte. Ganz besonders überrascht hat mich, dass meine Gesprächspartner immer wieder die Angst, „zu viel“ zu sein, äußerten und sich häufig nicht ernst genommen fühlen. Die Rolle des „Kasperls“, in die sich Menschen mit extrovertierten Charakterzügen aufgrund ihrer unterhaltsamen, offenen Natur leicht begeben, scheint nicht förderlich für echte, tiefgehende Interaktionen zu sein.

Sein oder Schein

Ein Thema, das im Gespräch mit Extrovertierten auch immer wieder aufkam: Sie fühlen oft einen enormen Druck, ihr (meist überaus positives) Image zu wahren. Wer als sozialer Sonnenschein bekannt ist, gibt ungern zu, dass auch ihn die unausweichlichen Regentage des Lebens nicht kaltlassen. Das kann ungemein belastend sein – denn gerade, wenn es einem nicht gut geht, ist es wichtig, offen darüber sprechen zu können. Für Extrovertierte scheint sehr viel Aufmerksamkeit darauf zu liegen, wie die Außenwelt sie wahrnimmt. Dadurch tendieren sie vielleicht eher dazu, den Vorstellungen anderer zu entsprechen, anstatt sie selbst – in all ihren Facetten – zu sein.

Better together

Zwar können die Unterschiede zwischen extrovertierten und introvertierten Menschen manchmal für Missverständnisse und Frustration sorgen. Mit ein bisschen Bewusstsein für die jeweiligen Tendenzen und die jeweiligen unterschiedlichen Bedürfnisse können Extrovertierte und Introvertierte einander aber auch immens bereichern.

Extrovertierte können in Introvertierten wertvolle Gesprächspartner und gute Zuhörer finden, bei denen sie ihr wahres Ich zeigen und ein bisschen zur Ruhe kommen können. Introvertierte können von Extrovertierten lernen, auch mal ein Stück weit aus sich herauszugehen und sich neuen Erfahrungen zu öffnen. 

Vielleicht gibt es Gegensätze ja genau deshalb, um einander in Einklang zu bringen. So werden die Unterschiede zwischen uns zum Raum für Wachstum anstatt für Konflikt, die Reibungspunkte zu dem, was unseren Charakter schleift und formt. Das ist zwar nicht immer angenehm, aber meist notwendig und unglaublich wertvoll. Vielleicht denke ich daran, wenn ich das nächste Mal einfach nur meine Ruhe haben will in einer Welt, die gefühlt von Extrovertierten dominiert wird.

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