Die WHO gab bereits 2012 an, dass Depressionen weltweit mehr verlorene Lebens- und auch Arbeitsjahre verursachen als jede andere Erkrankung. Das liegt vor allem daran, dass auch viele junge Menschen von depressiven Störungen betroffen sind – eine Altersklasse, in der chronische Erkrankungen eigentlich eher selten sind.
Nicht immer werden die Erkrankungen richtig erkannt. Viele Betroffene trauen sich nicht, einen Arzt aufzusuchen. Das Bewusstsein, dass es sich bei Depressionen nicht um eine Befindlichkeitsstörung, sondern um eine lebensbedrohende Erkrankung handelt, fehlt vielerorts noch immer. Sucht man doch nach professioneller Hilfe, ist die Wartezeit für einen Therapieplatz oft viel zu lang.
Digitale Hilfsangebote sollen nun Abhilfe schaffen. Doch können Apps wirklich den Therapeuten ersetzen?
Aus der Dunkelheit auf den Handybildschirm
Experten führen die hohe Dunkelziffer Betroffener auch auf die Stigmatisierung zurück, die psychischen Erkrankungen immer noch anhaftet. Anonyme Apps sollen nun mehr Menschen erreichen. Mittlerweile gibt es zahlreiche Anwendungen für das Smartphone, die mittels Tagebucheinträgen, Stimmungsabfragen und Achtsamkeitsübungen bei der Bewältigung des Alltags helfen sollen.
Viele Betroffene berichten, dass vor allem kleine Übungen, Hausaufgaben und Tagebucheinträge ihnen geholfen haben – einerseits dabei, das Problem zu erkennen, andererseits aber auch dabei, langfristig einen Überblick und Stabilität zu behalten. Und auch dem behandelnden Arzt kann ein sorgfältig geführtes Stimmungstagebuch dabei helfen, die richtige Diagnose zu stellen und den Patienten besser einschätzen zu können. Dafür muss aber erst Platz im Alltag geschaffen werden, denn das Papierchaos nimmt schnell überhand. Besonders für die sogenannte „Generation Smartphone“ liegt es da nahe, diese Dinge digital zu erledigen.
Stimmungstagebuch und Struktur im Alltag
Viele Apps funktionieren dabei nach einem ähnlichen Prinzip, das helfen soll, den eigenen Zustand zu verstehen und Muster zu erkennen.
Die App Moodpath beispielsweise stellt dem Nutzer über einen Zeitraum von 14 Tagen Fragen zum Befinden, über den Tag verteilt und mit der Möglichkeit, die Antworten zu gewichten. Die App legt eine Statistik an und verfügt zudem über eine integrierte Therapeutensuche. Nach Ablauf der 14 Tage erstellt Moodpath eine Art Arztbrief mit den gesammelten Ergebnissen. Dieser soll Betroffenen dabei helfen, ihre Probleme ernst zu nehmen und sich zu einem Beratungsgespräch zu trauen.
Arya ist eine App, deren Gründerin Kristina Wilms selbst an Depressionen erkrankt ist. Aus dem Wunsch heraus, auch nach der Therapie noch das Gefühl von Sicherheit und Struktur zu haben, entstand die Idee zu Arya. Neben einem Stimmungstagebuch bietet die App auch die Möglichkeit, sogenannte „Wohlfühlaktivitäten“ zu planen.
Selfapy hingegen ist vor allem für all jene gedacht, die die Wartezeit auf einen Therapieplatz überbrücken möchten. In Form eines Onlinekurses mit Videos, Fragebögen und Übungen aus der kognitiven Verhaltenstherapie sowie regelmäßigen Telefonaten mit Therapeuten wollen die Entwickler Betroffenen helfen.
Vorprogrammierte Enttäuschung?
Die meisten Apps klingen vielversprechend, auch wenn Zertifikate und zuverlässige Qualitätsstandards oft fehlen. Nicht alle Anwendungen sind bisher als Medizinprodukte zertifiziert. Die Effizienz regelmäßiger Übungen, wie sie von den meisten Apps angeboten werden, ist jedoch wissenschaftlich nachweisbar.
Unabhängig von Zeit und Ort, niederschwellig und anonym – Befürworter der Apps hoffen, mit diesem Angebot vor allem auch jene zu erreichen, die bisher ohne Hilfe blieben, aus Scham oder Zeitmangel zum Beispiel. Es gibt jedoch auch Kritiker der digitalen Hilfsangebote. An Depressionen Erkrankte sehen ihre Behandlungschancen oft sehr pessimistisch.
Eine App, die nicht den gewünschten Erfolg bringt, könnte dieses Gefühl von Hoffnungslosigkeit noch verstärken und verhindern, dass die Betroffenen sich erneut Hilfe suchen. Trotz dieser Bedenken herrscht unter Experten ein Konsens: Als Begleitung zu einer Therapie oder ärztlichen Behandlung können die meisten Apps eine sinnvolle Ergänzung sein.