Pro-krasti-nation. Klingt so kompliziert und passiert doch wie von allein. Zusammengesetzt aus den lateinischen Wörtern pro (= „für“) und crastinum (= „morgen“) heißt es nichts anderes als: vertagen, aufschieben, hinauszögern. „Morgen ist auch noch ein Tag“, lautet das Credo der Prokrastinatoren. Bezeichnenderweise wird dieses beinahe krankhafte und kontraproduktive Aufschieben auch „Studentensyndrom“ genannt. Besonders häufig tritt es nämlich bei Personengruppen auf, die weitgehend selbstbestimmt arbeiten (sollten) – allen voran Künstler, Journalisten, Rechtsanwälte, Lehrer und eben auch Studenten. Die klassische Symptomatik: Die Nacht vor der Deadline durcharbeiten, das Projekt unter massivem Zeitdruck und den damit verbundenen Qualitätseinbußen fertigstellen, enormer Stress, Schlafmangel und Stimmungsschwankungen vom Feinsten. Aber: All das lässt sich vermeiden. Wie, erfahren Sie in diesem Artikel.
Buchvorstellung
Meinen allerersten Einblick in die Welt des Zeitmanagements und der damit verbundenen Prokrastination-Prophylaxe habe ich in der Schule bekommen. Natürlich nicht als Teil des Lehrplans, obwohl das überaus sinnvoll wäre. Vielmehr war es eine Klassenkollegin, die mit Haus und Kind offensichtlich etwas mehr um die Ohren hatte als die meisten von uns in unserem unbeschwerten Schüler-Dasein. Deshalb hatte sie auch für eine Buchvorstellung ein etwas unübliches Werk gewählt: „So kriege ich alles in den Griff. Selbstmanagement im Alltag“ von David Allen. Irgendwas daran hat mich fasziniert, obwohl ich damals gefühlt Zeit wie Sand am Meer hatte. Und vielleicht verdanke ich es dieser Kollegin, dass ich mich nie ernsthaft mit „Aufschieberitis“ anstecken habe lassen. Denn einer der Ansätze, die sie in ihrer Buchvorstellung erwähnt hat, begleitet mich bis heute.
Die Zwei-Minuten-Regel
Die Idee ist ganz einfach: Alles, was nicht mehr als zwei Minuten dauert, erledigt man sofort. Alles, was länger als zwei Minuten dauert, schreibt man auf und erledigt es je nach Wichtigkeit und Dringlichkeit in näherer oder fernerer Zukunft. So schiebt man nichts unnötig auf, verliert sich aber auch nicht in Tätigkeiten, die momentan zu viel Zeit in Anspruch nehmen oder nicht unmittelbar erledigt werden müssen. Die Zwei-Minuten-Regel lässt sich aber auch als Startschuss für große Projekte oder langfristige Gewohnheiten einsetzen.
Alles beginnt mit zwei Minuten
In seinem Beststeller „Atomic Habits“ schreibt James Clear, dass jede noch so komplexe Tätigkeit in weniger als zwei Minuten ins Rollen gebracht werden kann. Und was einmal rollt, ist kaum mehr zu stoppen. „Zehn Kilometer laufen“ wird zu „Laufschuhe anziehen“, statt „sich gesünder ernähren“, nimmt man sich vor, täglich einen Apfel zu essen, man sagt nicht „Ich muss einen 90-seitigen Bericht schreiben!“, sondern „Ich überlege mir jetzt eine Überschrift“.
Die größte Hürde, „Aufschieberitis“ zu überwinden, ist nämlich meist, einfach anzufangen. Hat man eine Aufgabe einmal begonnen, wirkt sie gar nicht mehr so einschüchternd und man bleibt mit großer Wahrscheinlichkeit dabei. Wenn man die Laufschuhe schon anhat, kann man genauso gut auch gleich eine Runde drehen. Der Apfel wird vielleicht zum Obstsalat mit Nüssen und die Überschrift zu einem ersten Absatz, nach dem ein zweiter folgt. „Einfach anfangen!“, lautet die Devise. Und zwar sehr einfach und mit etwas, das maximal zwei Minuten dauert und es somit gar nicht wert ist, aufgeschoben zu werden. Dadurch werden auch große Vorhaben fürs Erste klein und schaffbar.
Klein anfangen – klein weitermachen
Der Grund für unnötiges Aufschieben ist meist nicht wie vermutet Faulheit oder ein Unterschätzen der zu erledigenden Aufgabe. Ganz im Gegenteil: Oft führen Perfektionismus und ein Gefühl der Überwältigung dazu, dass man sich nicht vorstellen kann, die Herausforderung zu meistern. Man weiß nicht, wo man anfangen soll, also lässt man es bleiben.
Was hier hilft: ein Projekt in kleine, überschaubare Arbeitsschritte zu zerlegen. Vielleicht erscheint es einem unmöglich, zehn Kilometer zu laufen. Also beginnt man einfach mal mit einem. Und wenn das mit dem Laufen nicht so recht klappt, geht man einfach. Die Distanz und das Tempo sind nicht so wichtig. Was zählt, ist, dass man sich in die gewünschte Richtung bewegt. Kleine, langsame Schritte bringen einen immer noch voran. Und Vorankommen motiviert zum Weitermachen.
Pausen, Konzentration und individueller Rhythmus
Stichwort Vorankommen: Auch Pausen sind paradoxerweise ein wichtiger Bestandteil von Fortschritt. Regelmäßige und vor allem sinnvoll gestaltete Auszeiten helfen gegen Stress und „Aufschieberitis“, weil sie erneut dafür sorgen, greifbare Tätigkeiten zu erledigen, anstatt sich im großen Ganzen zu verlieren. Sich für 25 bis 50 Minuten ohne Ablenkung auf eine Aufgabe zu konzentrieren ist überschaubar und bringt trotzdem sichtbare Ergebnisse. Nach jedem Arbeitsblock sollten fünf bis zehn Minuten Pause gemacht werden, idealerweise in Bewegung und/oder an der frischen Luft.
Wie lange die Arbeits- und Pausen-Intervalle genau sein sollten, hängt von der Tätigkeit und der Konzentrationsfähigkeit jedes Einzelnen ab. Am besten einfach ausprobieren, was für Sie am besten funktioniert. Haben Sie dann Ihren optimalen Rhythmus gefunden, können diverse Apps oder ein simpler Timer dabei helfen, dass man die Pausenzeiten auch konsequent einhält. Körper und Geist werden es Ihnen in Form von gesteigerter Konzentration und Effizienz danken, während sich die unangenehmen Symptome der Prokrastination nach und nach verabschieden.
Und siehe da, schon wieder ein Artikel fertig. Dabei wollte ich ja eigentlich nur kurz die Überschrift schreiben.