Nur noch eine halbe Stunde bis zum Meeting und die Präsentation ist noch lange nicht fertig. Die Zeit rennt nur so dahin, aber die To-do-Liste wird immer länger statt kürzer. Auf den Straßen ist die Hölle los und es steht noch eine lange Autofahrt an. Bestimmt kennen Sie einige dieser Situationen aus Ihrer persönlichen Erfahrung. Und vielleicht geht es Ihnen ähnlich wie mir und Sie reagieren darauf mit steigendem Blutdruck, Herzklopfen und feuchten Händen.
Angriff oder Flucht
Macht sich die Nervosität und Angespanntheit im Alltag bemerkbar, lautet mein Motto meistens einfach: „Augen zu und durch!“ Schließlich geht es nicht nur mir so. Diese körperlichen Reaktionen sind ganz normal und gehörten auch schon zum typischen Stressverhalten der Steinzeitmenschen. Während sich unsere Vorfahren in potenziell gefährlichen oder unangenehmen Situationen zwischen angreifen und flüchten entscheiden mussten, bleibt uns meistens nur die Flucht nach vorne. Schließlich erledigen sich unsere Aufgaben nicht von alleine.
Wenn Stress chronisch wird
Das Problem: Stressige Momente und die dazugehörigen Reaktionen des Körpers sind für viele von uns inzwischen keine Ausnahme mehr, sondern werden in unserem schnelllebigen Alltag zum Dauerzustand. Dann wird aus akutem Stress chronischer Stress und der drückt nicht nur auf die Stimmung, sondern wirkt sich mit der Zeit auch negativ auf den Stoffwechsel und den Hormonhaushalt aus. Verantwortlich dafür ist unter anderem die vermehrte Ausschüttung des Stresshormons Cortisol.
Wie können wir dem Körper dabei helfen, sich an die modernen Lebensumstände anzupassen und besser mit Belastungen umzugehen? Eine Möglichkeit ist es, die eigene Resilienz mit Sport und Achtsamkeitsübungen zu stärken. Glaubt man jedoch Superfood-Fans, lautet die Antwort definitiv Adaptogene. Doch was ist das eigentlich genau?
Im Wesentlichen nichts Neues
Was klingt wie ein neumodischer Ernährungstrend, ist genau genommen gar nicht neu. Schließlich machten sich schon unsere Großmütter die Kraft der Pflanzenheilkunde bei kleineren oder größeren Wehwehchen zunutze. Und auch in der Traditionellen Chinesischen Medizin oder in den Lehren des Ayurveda kommen viele Pflanzen und Pilze aufgrund ihrer ganzheitlichen Wirkung auf unser Wohlbefinden seit Jahrhunderten zum Einsatz. Einige von ihnen wurden jetzt sozusagen wieder neu entdeckt und erfreuen sich unter dem klingenden Namen Adaptogene steigender Beliebtheit.
Adapter für Körper und Geist
Das Besondere an ihnen: Die enthaltenen Stoffe haben einen regulierenden Effekt auf unser Befinden und wirken ausgleichend auf unsere psychische und physische Verfassung. Daher kommt auch der Name Adaptogene, der sich vom englischen „to adapt“ ableitet. Sie helfen uns sozusagen dabei, uns anzupassen und angemessen zu reagieren. Denn schließlich geht es in den allermeisten Stresssituationen, die wir täglich erleben, nicht um Leben und Tod – auch wenn es sich in der Aufregung manchmal fast so anfühlt.
Eine Frage der Balance
Auf den Stress folgt häufig ein Gefühl der Erschöpfung. Gemeinsam mit Müdigkeit und Konzentrationsschwäche kann so ein Teufelskreis entstehen, der zu immer größerer Belastung durch Stress führt. Die gute Nachricht: Adaptogene wirken in beide Richtungen, je nachdem, was wir gerade brauchen. Sind wir gestresst, sorgen sie für innere Ruhe, fühlen wir uns schlapp, entfalten sie ihre anregenden und vitalisierenden Kräfte.
Die Dosis macht kein Gift
Ein weiterer Vorteil der Pflanzenstoffe: Da sie nicht toxisch wirken, können sie dem menschlichen Körper nicht schaden. Nach aktuellem Stand der Forschung können die natürlichen Substanzen, anders als zum Beispiel Koffein, nicht überdosiert werden. Und sofern keine Lebensmittelunverträglichkeit vorliegt, sind auch keine Nebenwirkungen bekannt. Trotzdem empfiehlt es sich, vor der Einnahme einen Arzt zu konsultieren. Eine Beratung gibt zum Beispiel auch Aufschluss darüber, ob die gewählten Adaptogene dauerhaft oder nur für einen begrenzten Zeitraum während besonderen Belastungsspitzen eingenommen werden sollen. Anders als zu Großmutters Zeiten müssen Sie heute übrigens nicht direkt auf die Pflanzen und Pilze zurückgreifen, um von ihrer Wirkung zu profitieren. Mittlerweile sind viele Adaptogene als Kapseln oder Tabletten, in Pulverform (mein Favorit als Zutat für den morgendlichen Smoothie), als Tinktur oder Tee erhältlich.
Das Who is Who der Adaptogene
Jetzt fragen Sie sich wahrscheinlich, welche Pflanzen und Pilze überhaupt zu den Adaptogenen gehören. Wenn es Ihnen so geht wie mir, werden Sie vielleicht überrascht sein, dass Sie einige davon wahrscheinlich schon längst kennen oder vielleicht sogar bereits zu Hause haben. Zu den beliebtesten und bekanntesten Adaptogenen gehören Ginseng, Rosenwurz, Maca, Shiitake-Pilze und der Reishi-Pilz.
Ginseng gilt als eines der bekanntesten Naturheilmittel der Welt und das zu Recht. Neben einer stressabbauenden Wirkung beeinflusst die Power-Wurzel auch die kognitive Leistungsfähigkeit positiv und kann außerdem die Produktion der sogenannten Glückshormone Serotonin und Dopamin fördern. Auch zu einem erholsamen Schlaf können Ginseng-Präparate beitragen.
Ebenfalls schon lange als Anti-Stress-Pflanze bekannt ist Rosenwurz, auch Rhodiola genannt. Ihre Wirkstoffe unterstützen darüber hinaus vor allem bei Müdigkeit und Erschöpfung. Bei regelmäßiger Einnahme können sie außerdem die Konzentrationsfähigkeit und das Gedächtnis fördern.
Shiitake-Pilze erfreuen sich nicht nur in der asiatischen Küche großer Beliebtheit, sondern werden auch als Heilpilze angewendet. Ihre Wirkstoffe mindern Stressgefühle und haben außerdem positive Effekte auf das Immunsystem und die Darmflora.
Der Reishi-Pilz wird im Gegensatz dazu nicht zum Kochen, sondern ausschließlich in der Heilkunde eingesetzt. Beliebt ist er vor allem wegen seiner beruhigenden Wirkung bei Schlafstörungen.
Besonders effektiv, wenn zur mentalen Belastung auch noch körperliche Anstrengung hinzukommt, ist Maca. Die Wurzelknolle aus Südamerika ist ein Energielieferant, der Ausdauer und Widerstandsfähigkeit erhöht.
Heimische Heilpflanzen
Wer von der Power besonderer Pflanzen profitieren will, muss aber nicht unbedingt in die Ferne schweifen. Auch in unseren Breiten ist so manches Kraut gegen zu viel Stress gewachsen. Dazu gehört zum Beispiel Weißdorn, der bei Herzklopfen und Lampenfieber beruhigt. Rosmarin regt die Durchblutung an und unterstützt damit das Gedächtnis und die Konzentration. Salbei hilft bei Nervosität und Erschöpfungszuständen. Noch mehr heimische Heilpflanzen stellen wir in diesem Artikel vor.
Wenn ich mich das nächste Mal gestresst oder nervös fühle, heißt es ab jetzt also nicht mehr „Augen zu und durch!“, sondern vielmehr „Augen auf für Adaptogene!“.
UNSERE BUCHTIPPS:
Wenn Sie noch mehr über die Wunderwaffen der Natur erfahren möchten, empfehlen wir einen Blick in unsere Buchtipps:
- Paula Grainger: Adaptogene. Die 20 Super-Pflanzen für Ausdauer, Kraft und Resilienz. 2019
- Claudia Ritter: Natürliche Stresskiller. Mehr Energie und Lebensqualität durch aktive Pflanzenstoffe. 2021