Ein neuer, noch subtiler Trend geht durch die Diätlandschaft. Anstatt den Kilos laufend den Kampf anzusagen, soll der Fokus auf eine insgesamt gesündere Lebensweise gelegt werden. Das hat nichts mit Schönreden von Speckröllchen zu tun, sondern soll zu einem neuen, bewusst gewählten Lebensstil führen. Das Gewicht soll nicht mehr durch immer neue Diäten radikal abgenommen werden, um hinterher umso schneller wieder raufzugehen. Der Jojo-Effekt lässt bekannterweise selten auf sich warten.
Gesund & Dick?
Was ist dran an dem Mythos: lieber rund und gesund als schlank und krank? Leider nicht viel. Schönheitsideale unterliegen Schwankungen: Betrachtet man die Werbung oder die Social-Media-Kanäle geht der Trend derzeit eindeutig zu etwas sportlicheren Idealen als zu extrem mageren Körperstaturen. Dennoch: Ein schlanker, sportlicher Körper wird grundsätzlich mit Jugendlichkeit, Leistungsfähigkeit und Gesundheit verknüpft.
Aber kann ein dicker Mensch nicht auch sportlich sein? Ist er damit nicht sogar gesünder als ein dünner Mensch, der sich gar nicht bewegt oder einen ungesunden Lebensstil pflegt?
Dass extremes Übergewicht mit diversen Krankheiten assoziiert wird, ist jedem klar. Mit jedem Kilo steigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, mit einem ungesunden Lebensstil auch das Risiko für diverse Krebskrankheiten. Studien zeigen, dass es vor allem das Bauchfett ist, das das Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten erhöht. Der Bauchumfang sagt somit mehr aus als das Gewicht allein.
Muskeln sind schwerer als Fett
Um das Übergewicht zu ermitteln, wird von Ärzten nach wie vor der über hundert Jahre alte BMI (Body-Mass-Index) als die Standardmessgröße herangezogen. Dieser ermittelt sich aus dem Körpergewicht geteilt durch die Körpergröße ins Quadrat. Ein normaler und damit gesunder BMI soll zwischen 18,5 und 24,9 kg/m² liegen.
BMI = Kilogramm Körpergewicht/Körpergröße in Metern zum Quadrat
Dass diese Beurteilung nicht immer eindeutig ist, spüren vor allem sehr sportliche Menschen. Wer viel Muskelmasse aufbaut, wiegt viel, ist damit aber keinesfalls ungesund dick oder fett. Ein BMI zwischen 20 und 30 kann, muss aber nicht mit einer gesunden Körperzusammensetzung einhergehen. Selbst ein BMI über 30, und damit im Adipositas-Bereich, kann beispielsweise bei Bodybuildern errechnet werden. Diese Personen sind aber mit Sicherheit nicht adipös.
Skinny Fat
Umgekehrt kann ein niedriger BMI auch durch ungesunde Diäten oder einen ungesunden Lebensstil mit wenig Bewegung erreicht werden. Der Anteil an Muskelmasse sinkt, der Körperfettanteil ist verhältnismäßig hoch. Solche Personen sind unter „skinny fat“ bekannt, also schlanke fette Personen. Sie haben trotz niedrigem BMI ähnlich erhöhte Risiken für Diabetes oder lebensstilbedingte Folgeerkrankungen. Anstatt den BMI zu errechnen, ist es daher aussagekräftiger, eine Analyse der Körperzusammensetzung zu machen (etwa mittels Bio-Impedanz-Analyse).
Weight Cycling durchbrechen
Dicksein wird oft automatisch mit Faulheit assoziiert. Das Bild vom Couch-Potato mit einer Tüte Chips in der Hand kommt einem rasch in den Sinn. Dieses Vorurteil ist es auch, das vielen Übergewichtigen zu schaffen macht. Die Annahme, Dicke wären faul, disziplinlos und träge, beeinträchtigt unweigerlich das Selbstbewusstsein und das Wohlbefinden. Und wenn die Laune sinkt, ist der tröstende Griff zur Schokolade vorprogrammiert – der Teufelskreis aus Frust und weiterer Gewichtzunahme nimmt seinen Lauf.
Dass man nach Diäten besonders leicht wieder zunimmt, wird Jojo-Effekt oder Weight Cycling genannt. Nimmt man ab, gerät der Körper in einen Mangelzustand und schüttet Hormone aus – alles mit dem Ziel, wieder Reserven einzulagern für die nächste Zeit der Not. Je schneller man abgenommen hat, desto schneller geht es oft wieder bergauf mit dem Gewicht.
Anstatt nun lebenslang auf Diät zu sein, gehen immer mehr Konzepte dazu über, bewusst einen neuen Weg zu beschreiten, der mehr einer Reise zu einem neuen Ich gleicht. Gesünder zu leben bedeutet nicht, radikal abnehmen zu müssen oder schnellstmöglich sein Idealgewicht zu haben.
Sogar bei Weight Watchers wird mittlerweile vermehrt auf Wellness, eine dauerhafte Ernährungsumstellung und damit auf ein langfristiges Gewichtsmanagement gesetzt. Der Gedanke ist einfach: Wer länger dran bleibt, hat einfach mehr Erfolg und lebt gesünder.
Gewichthalten ist die Königsdisziplin
Wer einmal abgenommen hat, weiß, dass es noch einmal eine besondere Herausforderung sein kann, das erreichte Gewicht zu halten. Während des Abnehmprozesses wird noch gern auf alles Mögliche verzichtet, weil die Belohnung auf der Waage oder über die Veränderung des Spiegelbilds zurückkommt. Diese Belohnung bleibt beim Gewichthalten aus. Es kann sogar sein, dass das Gewicht trotz disziplinierter Ernährung um einige Kilos schwankt. Selbst das ist normal, solange es kontrolliert in einem bestimmten Bereich bleibt.
Die meisten denken an Gewichthalten erst dann, wenn das Idealgewicht oder Wunschgewicht erreicht ist. Gewichthalten ist aber auch dann relevant, wenn man damit einer unerwünschten Gewichtszunahme entgegenwirkt, selbst wenn man noch nicht beim Idealgewicht angelangt ist. Wer abnimmt, gelangt fast immer an solche Stehphasen, die als unangenehm wahrgenommen werden. Manchmal steht das Gewicht in Stressphasen, manchmal auch ohne erkennbaren Grund. In Wahrheit gehören Gewichtsplateaus zum Abnehmen dazu und bieten die Chance, das Gewichthalten schon frühzeitig zu üben. Auch in diesem Fall ist das Halten des Gewichts ein aktiver Prozess, der eine Leistung darstellt. Wenn wir an unsere Reise zurückdenken, ist dies lediglich ein Zwischenstopp. Solange diese Pause nicht bedeutet, dass man umkehrt, dient diese Phase der Stabilisierung des Erreichten. Vielleicht dient diese Pause auch der Neuorientierung. Möglicherweise ist das Idealgewicht auch ein unrealistisches Ziel, das – wenn man langfristig daran festhält – nur zu unnötigem Druck und Stress führt?
Entspanntes Essverhalten lernen
Aus dem Diätkreislauf auszubrechen ist oft schwer. Der Denkansatz, einfach nur gesünder zu leben, verspricht keine schnellen Erfolge. Dafür beinhaltet er, sich auch ab und zu etwas zu gönnen und vor allem nicht ständig ein schlechtes Gewissen zu haben. Gleichzeitig ist er risikofrei und ohne negative Nebenwirkungen. Jeder Schritt in diese Richtung, ganz egal, ob im Bereich der Ernährung oder der Bewegung, wird sich positiv auswirken. Im besten Fall lernen Sie, entspannter zu essen. Also: Warum nicht einmal ausprobieren?
Unsere Tipps
- Stellen Sie nicht alles auf einmal um. Gehen Sie lieber Schritt für Schritt!
- Denken Sie nicht in Schwarz-Weiß-Mustern. Niemand ist 100 % perfekt.
- Bleiben Sie flexibel. Wenn Ihnen eine Sportart zu langweilig wird, testen Sie eine neue.
- Bleiben Sie neugierig. Beobachten Sie Ihren Weg und trauen Sie sich, auch mal davon abzuweichen.
- Denken Sie bei allem daran, ob Sie es auch noch in 1-2 Jahren so machen wollen. Dann haben Sie etwas gefunden, was zu Ihnen passt.
- Schreiben Sie ein Journal und halten Sie fest, was gut läuft und wie Sie sich fühlen.
Egal, was und wie Sie es tun, wichtig ist, dass Sie sich wohl fühlen und auf lange Sicht gesund bleiben.