Ich brauchte sie einfach: die Schokolade nach dem Mittagessen. Am Nachmittag. Und nach dem Abendessen – vor allem dann. Tag für Tag stand mein unbändiger Gusto auf Süßkram meinem Ziel, mich gesünder zu ernähren, im Weg. Nun halte ich schon über drei Wochen ohne Schokolade durch. So gelingt es, sich neue Routinen anzutrainieren.
Wir sind einfach Gewohnheitstiere
Unsere täglichen Rituale sind fest im Alltag verankert. Irgendwann denken wir gar nicht mehr darüber nach, sondern tun die Dinge einfach. Das betrifft sowohl gesunde Gewohnheiten wie das Zähneputzen oder Sporteln als auch weniger gesunde Rituale wie das Naschen oder Ständig-aufs-Handy-Schauen. Das Gehirn unterscheidet beim Einbrennen von Routinen auf unsere Festplatte nicht zwischen gut oder schlecht. Da sollte es doch ganz einfach möglich sein, sich neue Gewohnheiten anzueignen, oder? Mit diesen sechs Tricks halten Sie besser durch:
1. Ziele sind eine Sache des Blickwinkels
Etwas Neues als Gewohnheit zu etablieren, fühlt sich tatsächlich einfacher an, als eine alte Gewohnheit abzulegen. Das Ziel sollte also nicht „nicht naschen“ oder „weniger wiegen“ sein, sondern man sollte sich auf etwas Konstruktives konzentrieren. Weglass-Diäten lassen wir also lieber weg. Lieber richten wir den Blick auf jene positiven Veränderungen, die uns guttun und die man realistischerweise länger durchhalten kann als eine Kohlsuppen-Diät. Ich bin es daher positiv angegangen und konzentrierte mich nunmehr drauf, gesunde Mahlzeiten und Snacks in den Alltag zu integrieren. Mit Willenskraft hatte das übrigens wenig zu tun, sondern vielmehr mit Planung und Organisation.
2. Das Umfeld lässt sich gestalten
Man beantwortet schon das zwanzigste E-Mail und stopft sich nebenbei das schnelle Weckerl rein. Dann kommt ein Bissen von einem Kuchen vor dem Meeting, ein Häppchen Schokolade zwischen Tür und Angel, weil es die Kollegin anbietet. Der Stress ist heute ja nicht auszuhalten. Klar ist das praktisch und vor allem wahnsinnig flexibel. Aber im Kopf hat man an solchen Tagen nur einen Gedanken: „Ich hab den ganzen Tag nichts gegessen.“ Ganz so stimmt das natürlich nicht, aber richtige Mahlzeiten sind diese Häppchen de facto auch nicht. Mir ging es ähnlich, aber seit ich eine fixe Mittagspause im Kalender einplane, wird diese auch eingehalten. Wichtig ist dabei nicht nur, was man isst, sondern auch mit wem man sich umgibt: Kollegen, die ihr Mittagessen mitbringen, der Austausch über schnelle Aufwärmrezepte, das gemeinsame Essen – all das fördert das bewusste Essen und nimmt Einfluss auf das Essverhalten wie auf die Essgeschwindigkeit oder die Wahrnehmung, wie viel man eigentlich isst.
3. Und täglich grüßt das Murmeltier – oder üben, üben, üben!
Man sagt: Etwas das man täglich macht, wird nach 21 Tagen zur Gewohnheit. Und das stimmt! Ich habe mir jeden Tag überlegt, was ich mittags essen könnte: ob ich essen gehe, mir was vorkoche oder doch etwas Schnelles vom Supermarkt besorge. Das noch ungewohnte Verhalten wurde durch die ständige Wiederholung immer mehr zur Routine und nach etwa drei Wochen täglichen Übens fühlte es sich tatsächlich schon recht normal an und ich musste immer weniger darüber nachdenken. Das Gehirn hilft uns dabei, solche bekannten Abläufe zu verstärken und immer öfter einzufordern. Bei Tätigkeiten, die man nicht täglich macht, dauert das Ganze etwas länger. Studien sagen, dass es schon mal ein halbes Jahr oder länger dauern kann, bis etwas zur festen Gewohnheit geworden ist. Ein halbes Jahr kann lang werden: Was hilft uns also noch, um langfristig dranzubleiben?
4. Weg mit der Schoko-Lade!
Was nicht da ist, kann man nicht essen. Außerdem ist es einfacher, das Richtige zu essen, wenn es verfügbar ist. Die verhängnisvolle Schoko-Lade in der Arbeit sollte also besser mit Nüssen, frischem Obst und Teebeuteln bestückt sein. Greift man dann in Stresssituationen impulsiv hinein, wird man im Nu ins Hier und Jetzt versetzt und denkt noch mal bewusst darüber nach, ob Schokolade nun wirklich sein muss oder nicht doch eine Pause besser wäre. Der Relax-Tee ist dann oftmals die bessere Ablenkung.
5. Brav warst du!
Den meisten geht’s wohl so: Wenn man sich für erreichte Teilziele kleine Belohnungen überlegt, steigert das die Motivation dranzubleiben enorm. Unser Belohnungszentrum springt auf alles an, was die Dopaminausschüttung fördert – also auf Dinge, die Spaß machen. Mir half der Gedanke, nach dem abendlichen Vorkochen fürs Mittagessen eine Folge der spannenden Lieblingsserie zu schauen. Eine schöne Mini-Belohnung, die das Kalorienkonto nicht belastet. Klar könnte ich die Serie auch einfach so schauen, aber nach einer erbrachten Leistung fühlt es sich gleich viel besser an! Süßigkeiten sollten dabei nicht unbedingt als Belohnung herhalten, vor allem dann nicht, wenn die Linie zwischen Gewohnheit und suchtähnlichem Verhalten nicht mehr klar zu ziehen ist.
6. Kein Schwarz-Weiß-Denken
Wer Gewohnheiten langfristig ändern möchte, braucht Kontinuität und ein bisschen Geduld. Radikale Gedanken wie „Nie wieder Süßes“ bringen auf Dauer nichts, außer Schuld- und Verzichtsgefühl. Sich die Freiheit herauszunehmen, einzelne Ausreißer einfach zuzulassen, traut sich nicht jeder Diätwillige. Dabei ist Perfektionismus überhaupt nicht hilfreich beim Dranbleiben: denn sobald der erste „Fehler“ auftaucht, kommt der „Eh-schon-wurscht“-Gedanke. Niemand will sich Freiheiten nehmen lassen. Das muss zum Glück auch nicht sein. Üben wir also die flexiblen Kontrollmechanismen und gehen wir schrittweise in Richtung Ziel.
Belohnt wird man fürs Dranbleiben, nicht fürs Anfangen. Das Training mal ausfallen lassen oder mittags doch mal beim Lieferdienst bestellen: Solange es sich gut anfühlt, keine Schuldgefühle auslöst und einen nicht vom richtigen Weg abbringt, sollte man diese Dinge genießen. Sie gehören dann einfach zum Durchhalten und Weitermachen dazu.
Weiterführende Links:
- When attitudes and habits don’t correspond: Self-control depletion increases persuasion but not behavior, Journal of Experimental Social Psychology, Volume 75, March 2018, Pages 1-10
- How are habits formed: Modelling habit formation in the real world, European Journal of Social Psychology, Volume 40, Pages 998–1009 (2010)